Im September bin ich mit meinem Sohn alleine für ein paar Tage nach Mallorca geflogen. Alleine das zu schreiben finde ich schon ziemlich crazy. Einerseits dass ich es mir gerade leisten kann mit meinem Sohn nach Mallorca zu fliegen (wäre noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen, sowohl das mit dem sich leisten können als auch das mit dem einen Sohn haben). Andererseits, weil ich einfach wirklich ALLEINE mit meinem Sohn nach Mallorca geflogen bin. Auch das wäre vor einem Jahr z.B. noch ziemlich undenkbar gewesen.
Wir haben vor Ort kein Unterstützer*innen-Netzwerk, keine Großeltern, die mal unterstützen können. Das bedeutet, wenn eine*r von uns weg ist, ist die andere Person 24/7 verantwortlich. Mit Baby bzw. Kleinkind ist das gar nicht ohne.
Nun war klar: Mein Mann ist ein verlängertes Wochenende weg. Und für mich war klar: Ich trete die Flucht nach vorne an und mache einfach ein ziemlich geiles Erlebnis für uns da draus: 5 Tage Mallorca. Ganz so schnell klar war das nicht, weil ich doch auch ziemlich muffensausen hatte und erstmal schauen musste, ob ich mir das leisten kann und und und. Aber irgendwann dachte ich: Yes. Er ist nur einmal in diesem Alter. Und wer weiß, wann ich das nächste Mal diese Chance habe. Also gebucht. Und los.
Auch wenn der Urlaub ziemlich schön war, aber auch herausfordernd, soll es darum so genau jetzt gar nicht gehen, sondern um eine andere Frage, die ich mir stellte:
Wie dokumentiere ich nun diesen – unseren – Urlaub zu zweit?
Und daraufhin auch: Und wie dokumentiert man seinen Alltag mit Kind – alleine? Wie kann man das, auch als Alleinerziehende, machen?
Eine Lösung, die viele Fotograf*innen für sich finden, ist das Selbstportrait. In diesem Fall das Selbstportrait mit den Kindern. Die beiden wunderbaren dokumentarischen Fotograf*innen Chiara und Marcia haben dazu auch einen tollen Kurs geschaffen, den ich ans Herz legen kann, wenn dieser Weg für einen vorstellbar ist:
Selbstportrait Onlinekurs für Fotografen, Mütter und Carepersonen
Ich bin ehrlich: Für mich ist er nicht vorstellbar. Ich habe es versucht. Ich habe mir ein Stativ gekauft. Auch eines für mein Handy, das ich jederzeit ziemlich schnell aufbauen kann und somit – so die Hoffnung – leicht in meinen Alltag integrieren kann.
Das hat sich jedoch für mich – leider – nicht bestätigt. Ich habe es immer im Alltagstrubel vergessen, selbst das Mini Stativ aufzustellen war mir zu aufwendig und außerdem – schwupps – war der schöne Moment dann auch schon wieder vorbei. Beispiel: Ich wollte uns beim Frühstücken dokumentieren. Ich habe das Ding aufgestellt, den Selbstauslöser in die Hand genommen und neben mich gelegt. Immer, wenn ich dachte, jetzt ist schön, hab ich drauf gedrückt und dabei irgendwie versucht so zu tun, als wäre mir das in diesem Moment überhaupt nicht bewusst. Und da merkt man es schon: Ich habe so getan, als ob. Und daran denke ich immer, wenn ich dieses Bild anschaue. An dieses „als ob“ Gefühl. Und das ist ja eigentlich das letzte, woran ich denken will. Eher so an: Ach wie schön war das damals mit meinem Sohn beim Frühstück. Ach ja, das hat er immer gegessen und ich das. Und so sah immer der Tisch aus. Und nicht: Ach ja, da habe ich den Selbstauslöser unter der Hand versteckt und so getan als ob.
Ich glaube das war der Moment, in dem ich mich entschieden habe mich einmal im Jahr von einer Kollegin im Alltag fotografieren zu lassen. Da weiß ich zwar auch, dass ich beobachtet werde. Aber zumindest weiß ich nicht, wann sie den Auslöser drückt (und tue es vor allem nicht selbst). Außerdem ist sie wesentlich flexibler und hat einen ganz anderen Blick als ich.
Aber: Ich kann mich ja nicht ständig begleiten lassen. Geht halt dann doch ins Geld, wenn man das irgendwie zwei mal im Monat machen möchte. Also, wie kann ich dann noch unseren Alltag dokumentieren?
Selfies. Oh Gott. Ja. Selfies. Das schreibe ich als Fotografin. Mit dem Handy auch noch. Ja! Und ganz ehrlich: Selfies können auch den ungeschönten Alltag zeigen. In dem Moment, in dem ich mit kleinem Baby auf dem Arm im Wochenbett liege und heule, wie ein Schlosshund, weil einfach alles weh tut. Und dann in die Kamera schaue und davon ein Bild mache. Exakt so eins habe ich. Und das ist auch im Fotobuch drin. Weil das dazu gehört. Und vermutlich das ungeschönteste Wochenbett-Foto ist, das ich kenne.
Dieses Foto hat mein Wochenbett dokumentiert. Es ist von der Qualität her ganz anders. Und damit meine ich nicht nur die Foto Qualität. Es ist nicht besser oder schlechter. Sondern einfach anders. Und für mich bedeutet dieses Bld sehr sehr viel. Nichtsdestotrotz bereue ich, dass ich damals keine professionellen Bilder habe machen lassen. Weil das unser Wochenbett nochmal anders dokumentiert hätte – von außen, uns zwei, uns drei. Jemand hätte die allgemeine Stimmung wahr-und aufgenommen. Die Hochs und Tiefs. Dieses besondere Wochenbett Gefühl. Das kann nur eine außenstehende, professionelle Fotografin. Trotzdem liebe ich mein Selfie. Und es hätte das wunderbar ergänzt.
Somit besteht mein Fotobuch, das ich mir und meinem Sohn über unseren Mallorca Urlaub gemacht habe, aus Selfies. Hauptsächlich. Im Flugzeug, vor dem Flugzeug. Beim Quatsch machen. Beim Essen. Gespickt mit Aufnahmen von Details: Im Zimmer, im Hotel. Der Flur, durch den wir immer „ganz wild“ gejoggt sind. Das Frühstück, das bei ihm an drei Tagen aus Croissant bestand, aber trotzdem wollte er immer ein Ei, das ich dann gepellt habe und, das er nie gegessen hat. Unseren Frühstückstisch habe ich zum Beispiel als Flat-Lay von oben fotografiert. Oder auch eine Detailaufnahme, wie ich seine Hand im Flugzeug halte.
Und das ist dann auch mein Tipp: Konzentriert euch auf die Dinge, die Orte, die kleinen Details in der Umgebung, die eure Geschichte erzählen. Und fotografiert sie. Beim Betrachten des Fotos des Flurs werde ich immer an das wilde joggen denken. Auch wenn das Foto an und für sich wahrlich nichts besonderes ist und der Flur ziemlich hässlich. Es ist mein Anker.
Klar, das ist auch bewusst. Selfies sind bewusst. Sehr sogar. Aber es ist kein „als-ob“: Ich schaue bewusst in die Kamera. Ich nehme bewusst mein Handy und fotografiere meine Hand auf seiner. Ich gucke nicht weg und drücke unauffällig einen Auslöser (oder drücke ihn und warte Sekunden). Ich drücke den Knopf und schaue in die Kamera. Mit all den Emotionen, die da in diesem Moment sind. Und das fühlt sich für mich richtig an.
Wie ist das bei euch? Freu‘ mich auf eure Gedanken dazu!